Die Corona-Krise hat Deutschland und Europa weiterhin fest im Griff. Regierungen in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern Europas haben umfangreiche Rettungsschirme gespannt, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie so gering wie möglich zu halten. Eine Berufsgruppe gerät hierbei jedoch oft in Vergessenheit: Freiberufler und Selbstständige. Letztere standen im Mittelpunkt eines weiteren Webinars des DFWK Jugend. Bernhard Ney, Managing Director International bei COMATCH, fasste in dem Webinar Trends im Beratermarkt zusammen und erklärte, welche Auswirkungen die Covid-19 Pandemie für Freiberufler und Selbstständige hat.
Bernhard Ney, Managing Director International bei COMATCH hat mit den Vorsitzenden des DFWK Jugend, Aaron Eucker und Laura König (vlnr), diskutiert.
Welche Trends lassen sich derzeit im Beratermarkt beobachten?
Bernhard Ney ist für das internationale Geschäft des Beratermarktplatzes Comatch zuständig. Er beobachtet zwei langfristige Trends, die maßgeblich Einfluss auf die Weiterentwicklung der Beraterbranche nehmen.
„Zum einen suchen Kunden vermehrt nach spezifischer Expertise und tatsächlichem Impact“, erklärt Ney. Leistungen, mit denen Beraterfirmen früher beim Kunden punkten konnten, allem voran Methoden und analytisches Denken, seien längst in die Industrie gewandert. „Neben dem Verfassen von Empfehlungen und konkreten Maßnahmen sind Unternehmensberatungen daher heutzutage auch gefordert, deren Umsetzung beim Kunden zu begleiten. Gleichzeitig wird erwartet, dass Kunden befähigt werden, diese oder ähnliche Maßnahmen in Zukunft eigenständig und nachhaltig erfolgreich umzusetzen“, so Ney.
„Den zweiten Trend können wir als ‚Future of Work‘ bezeichnen“, ergänzt Ney. Heutzutage sei es keine Seltenheit mehr, nicht nur im Laufe seiner Karriere bei mehreren Arbeitgebern zu arbeiten, sondern auch mehrere Jobs gleichzeitig auszuüben. „Außerdem steigt die Bereitschaft unter Arbeitnehmern, in die Selbstständigkeit zu wechseln. Einige zielen darauf ab, mehr Unabhängigkeit zu erlangen. Andere nutzen die Freiberuflichkeit als Chance, um auf projektbasierter Arbeit mit einem Kunden zusammenzuarbeiten und gleichzeitig ein Unternehmen zu gründen.“
Zudem spiele Flexibilität eine immer größere Rolle. Hierzu zählten zum Beispiel Home-Office oder flexible Arbeitsstunden. Laut Ney hat die Corona-Pandemie dazu beigetragen, dass das Home-Office vermehrt genutzt und stärker von Arbeitgebern akzeptiert wird.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf Freiberufler und Selbstständige?
Eine Umfrage, die COMATCH unter fast 1.000 Beratern aus 55 Ländern durchführte, kommt zu dem Ergebnis, dass Freiberufler stärker von der Corona-Pandemie betroffen sind als Angestellte. Drei von vier Freiberuflern gab an, dass sie Einkommenseinbußen von bis zu 75% verzeichneten. Fast jeder Dritte (27%) berichtete, dass laufende Projekte verschoben wurden. Jeder achte Befragte (12%) verzeichnete sogar einen Abbruch laufender Projekte.
Von ähnlichen Auswirkungen berichtete auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in seinem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), der größten und am längsten laufenden multidisziplinären Langzeitstudie in Deutschland. Während nur jede fünfte Person in einem Anstellungsverhältnis eine Verkürzung ihrer Arbeitszeit hinnehmen musste, war dies bei jedem zweiten Selbstständigen der Fall. Zudem berichteten drei von fünf Selbstständigen von Einkommenseinbußen, während dies nur bei jedem Sechsten (15%) der Angestellten der Fall war.
Angesichts dieser Entwicklung stehen Freiberufler und Selbstständige in vielen Ländern Europas vor wirtschaftlichen und finanziellen Herausforderungen. Die Unterstützung der Staaten im Rahmen von Soforthilfen oder Hilfskrediten variiert dabei von Land zu Land stark. „Unsere Umfrage zeigt, dass in Frankreich die Zufriedenheit mit dem Staat geringer als in anderen Ländern ist, vor allem vor dem Hintergrund, wie der Staat Freiberuflichkeit strukturiert. Hier sehen viele Teilnehmer der Umfrage einen Reformbedarf. Wir bei COMATCH versuchen daher, auf den unterschiedlichen Kanälen Aufmerksamkeit dafür zu schaffen, dass Freiberufler sehr viel Wert schaffen und es helfen würde, wenn es hier von staatlicher Seite mehr Unterstützung geben würde“, so Ney.
Wie wird sich die Branche in den kommenden Jahren weiterentwickeln?
„Trotz der Auswirkungen durch die COVID-19 Pandemie bereut die große Mehrheit der Berater den Schritt in die Freiberuflichkeit nicht“, unterstreicht Ney. 91% der Befragten der COMATCH Umfrage gaben an, dass sie mindestens so zufrieden oder gar zufriedener sind als zu Zeiten, in denen sie fest angestellt waren. Knapp zwei Drittel der Befragten planen zudem, ihren Status als Freiberufler in den kommenden zwei Jahren nicht zu ändern. „Insgesamt überwiegt der positive Ausblick in die Zukunft. Die Berater sind optimistisch, dass die Nachfrage nach freiberuflicher Beratung insgesamt steigen wird und damit einhergehend auch der Marktanteil von freiberuflichen Unternehmensberatern steigen wird“, so Ney.
Das Gespräch fand als Webinar am 9. Juli 2020 statt.