Prof. Dr. Key Pousttchi ist Autor des Buches „Die verblendete Republik: Warum uns keiner die Wahrheit über die Digitalisierung sagt“. Bei einer Online-Debatte des Deutsch-Französischen Wirtschaftskreises (DFWK) spricht er mit den Teilnehmern darüber, wie die Digitalisierung die Welt von Grund auf verändern wird und was getan werden muss, um die Europäische Wettbewerbsfähigkeit in der Digitalisierung zu sichern.
Kollektive Verblendung
5G, Big Data und Künstliche Intelligenz sind in aller Munde. Aber warum können nur die Wenigsten die Folgen dieser Entwicklungen richtig einordnen? Für Prof. Dr. Key Pousttchi ist Digitalisierung ein Dreieck, bestehend aus Technik, Wirtschaft und Menschen (bzw. der Gesellschaft). Um eine ehrliche Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Digitalisierung zu ermöglichen, sei vor allem eine Betrachtung der gegenseitigen Abhängigkeiten dieser Faktoren notwendig. Prof. Dr. Pousttchi sieht eine kollektive Verblendung in Bezug auf die Digitalisierung: Diejenigen, die etwas von Digitalisierung verstehen, hätten nur wenig Interesse daran, die Wahrheit darüber auszusprechen; das Volk wiederum wolle die Wahrheit nicht kennen, um sich den Alltag weiterhin bequem zu gestalten. Diese kollektive Verblendung sei schließlich schuld daran, dass Regierungen, Institutionen und Unternehmen heutzutage vor einer ehrlichen Auseinandersetzung mit der Digitalisierung zurückschrecken. Aber auch der einzelne Bürger müsse in die Verantwortung gezogen werden.
„Es braucht eine aktive Industriepolitik“
„Heute haben wir ein Betriebssystem für Smartphones, morgen haben wir Betriebssysteme für Autos und Wohnungen, übermorgen haben wir ein solches Betriebssystem für unsere Städte und auch für den menschlichen Körper – das ist die Dimension“, so Prof. Dr. Pousttchi. Die daraus entstehenden Herausforderungen ließen sich nicht allein durch mehr Regulierung lösen. Innovation und Industriepolitik seien genauso wichtig. (Betriebs-)systeme müssten aus Europa kommen und europäischen Wertvorstellungen folgen. Die Wertschöpfung in der Digitalisierung müsse dazu genutzt werden, Europas Arbeitsplätze zu erhalten und bestenfalls neue zu schaffen. Deswegen betont Prof. Dr. Pousttchi: „Digitalisierung ist kein Lifestyle-Thema, sondern eine Ingenieuraufgabe!“ Nur durch eine ingenieurmäßige Herangehensweise könnten auch in der Digitalisierung nachhaltige Innovationen an den Markt gebracht werden.
Um Digitalisierung aktiv mitzugestalten, müsse zunächst der Wille bestehen, die vorhandenen Interdependenzen zu verstehen, dies müsse auch endlich Bestandteil der Ausbildung auf allen Ebenen werden. Denn sachlich fundierte Entscheidungen seien die Grundlage auf dem Weg zu mehr europäischer Souveränität im digitalen Raum. Ein weiteres Ausweichen seitens der Politik und Wirtschaft sei somit keine Option mehr.
Die Veranstaltung fand am 17. März 2021 online statt.