Wie werden sich die transatlantischen Beziehungen mit der neuen Biden-Administration in den kommenden Jahren entwickeln? Diese und viele weitere spannende Fragen zum Ausgang der diesjährigen US-Präsidentschaftswahl standen im Mittelpunkt einer gemeinsamen Online-Debatte des DFWK Jugend und des Aspen Institute Germany mit Cathryn Clüver Ashbrook und Matthew Karnitschnig. Mit Elmar Brok hatten wir zudem einen erfahrenen Europa-Politiker und Joe Biden-Kenner zu Gast.
Wird US-Präsident Donald Trump das Wahlergebnis – und damit seine Niederlage – offiziell anerkennen und eine friedliche Amtseinführung des designierten Präsidenten Joe Biden ermöglichen? Und wie werden sich die transatlantischen Beziehungen mit der neuen Biden-Administration in den kommenden Jahren entwickeln? Diese und viele weitere spannende Fragen zum Ausgang der diesjährigen US-Präsidentschaftswahl standen im Mittelpunkt einer gemeinsamen Online-Debatte des DFWK Jugend und des Aspen Institute Germany mit Cathryn Clüver Ashbrook und Matthew Karnitschnig. Mit Elmar Brok hatten wir zudem einen erfahrenen Europa-Politiker und Joe Biden-Kenner zu Gast.
Werden wir Zeugen einer friedlichen Amtsübergabe am 20. Januar 2021?
Matthew Karnitschnig erwartet eine friedliche Amtsübergabe im Januar 2021. US-Präsident Donald Trump werde sich „nicht im Weißen Haus einschließen“, so POLITICOs chief Europe correspondent. Auch Trumps Rhetorik – die Wahlen seien gefälscht – überrasche ihn wenig. Denn genau dieses Narrativ habe er doch in den Wochen und Monaten vor den Wahlen am 3. November immer wieder geäußert.
Auch Cathryn Clüver Ashbrook – Executive Director des Future of Diplomacy Projects und Executive Director of the Project on Europe and the Transatlantic Relationship am Belfer Center for Science and International Affairs an der Harvard Kennedy School in Cambridge – ist zuversichtlich, dass Joe Biden am 20. Januar zum neuen US-Präsidenten ernannt wird. Daran würden auch die vielen laufenden Gerichtsverfahren nichts ändern, die Trump und sein Team bisher alle verloren haben. Es beunruhige sie jedoch zutiefst, welchen Einfluss Trumps Rhetorik und die Welle an Gerichtsverfahren auf die amerikanische Demokratie haben. Vor den Wahlen im November hätten nur knapp zwei Drittel der Amerikaner dem amerikanischen Wahlsystem vertraut. Diese Zahl habe sich nach den Wahlen auch angesichts Trump kontinuierlicher diskreditierender Rhetorik noch einmal halbiert. Dies könne langfristig an den Grundpfeilern der amerikanischen Demokratie rütteln.
Biden steht vor der Herausforderung, ein geteiltes Land – gesellschaftlich und politisch – zu regieren. Wird er in der Lage sein, seine transatlantische Agenda zu verfolgen?
Für die Forscherin von der Harvard-Universität steht es zu erwarten, dass die Biden-Administration in Verhandlungen eine, im Vergleich zur aktuellen Administration, größere Bescheidenheit an den Tag legen wird. Vor dem Hintergrund, dass die Europäer in vielen Bereichen ihre Hausaufgaben erledigt hätten, sei wieder eine Zusammenarbeit möglich. Zudem hätten beide Seiten verstanden, dass sie sich in einer Rivalität der Systeme, insbesondere mit China, befinden. Insgesamt könnten somit Fortschritte in vielen kritischen Aspekten, zum Beispiel der Klima- und Technologie-Politik, erreicht werden. Dennoch könnten außenpolitische Projekte zu einer Herausforderung werden, wenn Biden internationale Abkommen mit nationaler Gesetzgebung untermauern müsse. Wie erfolgreich er dabei ist, hänge vor allem von den Mehrheiten in beiden Häusern des US-Kongresses ab. Welche weitreichenden Folgen es habe, keine Mehrheiten für nationale Gesetzgebungen zu haben und internationale Abkommen ausschließlich durch Presidential Authorities oder Executive Orders abzusichern, zeige das Schicksal des Pariser Klimaabkommens bzw. das Ende des Iran-Abkommens.
Matthew Karnitschnig ist seiner Einschätzung hingegen etwas zurückhaltender. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in das „Honeymoon“-Narrativ hineingezogen werden“, so der Korrespondent. In der transatlantischen Community habe es einen großen Schock über die Feindseligkeit, die Europa von der Trump-Administration entgegengebracht wurde, gegeben. Dies werde sich mit der Biden-Administration wieder ändern. Dennoch gebe es bei wichtigen Themen wie der Technologiepolitik weiterhin viele Meinungsverschiedenheiten zwischen den „Googles und Apples dieser Welt“ und der EU, zum Beispiel bei Aspekten der Besteuerung von Unternehmen. Dennoch werde es im Großen und Ganzen zu einer Normalisierung der Beziehung kommen, so Karnitschnig.
Wie stehen die Chancen auf eine Normalisierung der Handelsbeziehungen?
Der Politico-Journalist ist überzeugt, dass die Spannungen in den Handelsbeziehungen zwischen Europa und den USA und damit auch die Feindseligkeit abnehmen werden. Zum Ende seiner Amtszeit hätten die Europäer nicht mehr gewusst, wie sie zivilisiert mit Trump umgehen sollten. Das werde sich nun ändern. Das Aufeinandertreffen beider Seiten würde wieder viel mehr „klassischen Verhandlung als einen Faustkampf ähneln“, so Karnitschnig. Gleichzeitig erteilt er Spekulationen um ein Revival des Freihandelsabkommens TTIP eine Absage. „Dieser Zug ist mit dem Ende der Obama-Regierung abgefahren“. Außerdem gebe es für einen Neustart der Verhandlungen nicht genug Unterstützung innerhalb der Demokratischen Partei. Daher sei es sehr unwahrscheinlich, dass der designierte US-Präsident sein politisches Kapital für das Freihandelsabkommen ausgeben werde.
Sehen wir mit der Biden-Administration eine Rückkehr zum Multilateralismus?
Für Elmar Brok, langjähriges Mitglied im Europäischen Parlament, wird es mit der Biden-Administration einen wichtigen Unterschied zur Trump-Zeit geben: Biden‘s Administration stehe für die Rückkehr zum regelbasierten Multilateralismus, bei dem Europa als Partner wahrgenommen werde, der die USA auf globaler Ebene stärkt. „Natürlich wird es auch in Zukunft Differenzen geben“, so Brok. Doch diese habe es schon immer gegeben. Im Gegensatz zu den vergangenen vier Jahren würden Europäer und Amerikaner sich nun wieder gemeinsam ihren Herausforderungen stellen.
Karnitschnig hofft ebenfalls, dass beide Seiten wieder mehr Gemeinsamkeiten finden. Er spricht zudem von einer Rückkehr zu einer „Partnerschaft auf Augenhöhe“. Dies sei umso relevanter, da die Zahl der Demokratien auf der Welt abnehme. Es könne somit auf lange Sicht nicht im Interesse der USA oder Europas sein, nicht miteinander zu kooperieren.
Clüver-Ashbrook teilt die Einschätzung des POLITICO-Journalisten. Sie unterstreicht mehrfach, dass wir uns in einem Konflikt der Systeme befinden. „Wir müssen grundlegende Gespräche darüber führen, warum Demokratien das beste System sind, um Presse-, Meinungs- und Geschäftsfreiheit zu gewährleisten“, so ihr Appell. Demokratien müssten sich zusammenraufen – nicht aus Verzweiflung, sondern weil sie die besseren Lösungen anbieten, die es unseren Gesellschaften ermöglichen, physisch sicher, wirtschaftlich lebensfähig und ideologisch frei zu leben. Diese Argumente müssten in den politischen Debatten viel mehr in den Vordergrund gestellt werden.
Die Online-Diskussion fand am 23. November statt. Die Moderation übernahmen Laura König (DFWK Jugend) und Tobias Jerzewski (Aspen Institute Germany).