Gleich zwei prominente Gäste aus der deutsch-französischen Politik sprachen auf dem Neujahresempfang 2021 des Deutsch-Französischen Wirtschaftskreises (DFWK): Anne-Marie Descôtes, die französische Botschafterin in Deutschland, und Dr. Franziska Brantner, Parlamentarische Geschäftsführerin und Europapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag.
Zahlreiche Mitglieder und Freunde des Vereins hatten sich dem Empfang zugeschaltet, der pandemiebedingt online stattfinden musste. Nach einer kurzen Begrüßung durch DFWK Präsident Joachim Bitterlich leitete die französische Botschafterin in Deutschland, Anne-Marie Descôtes, die Veranstaltung mit einem ermutigenden Plädoyer für die deutsch-französische Zusammenarbeit ein.
„Das vergangene Jahr hat uns gelehrt, dass es die Krisen sind, die große Veränderungen nach sich ziehen“, sagte sie rückblickend. „Frankreich und Deutschland haben in diesem Jahr die große historische Einigung vom 21. Juli 2020 [für einen Europäischen Wiederaufbaufonds] vorbereitet, möglich gemacht und durchgesetzt“. Insgesamt sei die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich durch die Krise gestärkt. „Deutschland und Frankreich haben einen nie dagewesenen Grad an politischer Konvergenz erreicht“, so die Botschafterin.
Für 2021 nannte sie konkrete Projekte, um die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern zu vertiefen. „Wir arbeiten trotz der Pandemie weiter daran, die vor zwei Jahren im Vertrag von Aachen verabredeten ehrgeizigen Projekte umzusetzen“. Dazu zählen die Schaffung eines deutsch-französischen Forschungs- und Innovationsnetzwerks für Künstliche Intelligenz, die Zusammenarbeit im Bereich der Raumfahrt, die gemeinsame Förderung von Spitzentechnologien wie Wasserstoff sowie die Kooperation beim Thema Klimaschutz.
Mit Blick auf den Wiederaufbauplan riet die Botschafterin zu einem gemeinsamen Vorgehen, wo immer möglich. „2019 war Deutschland der wichtigste Investor in Frankreich. Wir hoffen, dass wir nach der Pandemie diesen Schwung wiederfinden“, schloss sie ihren Vortrag.
Anschließend stießen die Botschafterin, Mitglieder und Freunde des DFWK online (aber mit echtem Sekt), auf das neue Jahr an. Anne-Marie Descôtes sprach in der darauffolgenden Fragerunde auch offen darüber, wie die Pandemie ihre Arbeit verändert: „Alle Bereich der Botschaft sind betroffen. Videokonferenzen zu machen ist schön, aber es ist nicht dasselbe wie ein physisches Treffen“.
Im zweiten Teil der Veranstaltung schaltete sich mit Dr. Franziska Brantner (Die Grünen) eine Politikerin zu, die nach den Worten von DFWK Präsident Bitterlich bereits zur deutsch-französischen „Stammbesetzung“ gehört. Die Parlamentarische Geschäftsführerin und Sprecherin für Europapolitik der Grünen im Bundestag hat als Mitglied der Deutsch-Französischen Arbeitsgruppe zum Elysée-Vertrag nicht nur an der Verhandlung des Vertrags von Aachen 2019 mitgewirkt. Sie ist auch Mitglied der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung und stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Französischen Parlamentariergruppe. In diesen Funktionen setzt sie sich gemeinsam mit ihren Kollegen aus der französischen Assemblée Nationale leidenschaftlich für die Zusammenarbeit beider Länder ein.
Dr. Brantner begreift die aktuelle Krise auch als Chance. „Die größte Errungenschaft der Krise ist der Wiederaufbaufonds“. Nach der Pandemie müsse dieses Instrument – mit Blick auf potentielle zukünftige Krisen – verstetigt werden. „Es wäre fahrlässig, ihn wieder aufzuheben“. Dafür müssten nun aber alle Nationalstaaten die Mittel des Fonds sinnvoll anwenden. Insbesondere Deutschland und Frankreich trügen hier eine besondere Verantwortung. „Wenn wir diese Gelder in den Sand setzen, dann wird es uns nie wieder gelingen, das nochmal zu bekommen“, so die Politikerin.
Dass aktuell viel Geld ausgegeben wird, hält sie für unabdingbar. „Wenn man versucht in der Krise zu sparen, dann frisst man sich noch stärker rein“. Allerdings sollten die Gelder auch zielgerichtet investiert werden. Man müsse jede einzelne Maßnahme kritisch betrachten und ihren Mehrwert diskutieren dürfen. Besonders wichtig sei, jetzt in den Klimaschutz zu investieren. „Denn ich sehe leider nicht, dass wir uns, dass wir uns in vier bis fünf Jahren nochmal dermaßen verschulden und dann fürs Klima“, sagte Dr. Brantner. Auch setze sie sich mit der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung für eine konkrete Umsetzung von grenzüberschreitenden Projekten ein. Zum Beispiel für die von der Botschafterin angesprochene Kooperation im Bereich Wasserstoff und den Ausbau des Eisenbahnnetzes zwischen Frankreich und Deutschland.
Kritik an der EU-Kommission, zu geringe Mengen an Impfstoff bestellt und zu wenig in die Bereitstellung von Produktionskapazitäten investiert zu haben, hält Dr. Brantner für unehrlich. Natürlich habe es Fehler gegeben. Aber die Strategie der Kommission, auf mehrere Impfstoffe unterschiedlicher Herkunft zu setzen, sei sehr klug gewesen. Auch werde in Deutschland nicht darüber gesprochen, dass die Kommission bereits im Juni 2020 dem deutschen Impfstoff-Entwickler Biontech 100 Millionen Euro zum Ausbau seiner Produktionskapazitäten bereitgestellt hat. „Damals hat in Deutschland noch niemand über den Ausbau von Produktionskapazitäten gesprochen“, kritisierte sie. In der Zukunft sei es nun wichtig, der Europäischen Ebene weitere Kompetenzen in der Gesundheitspolitik zu geben, damit sie die Krise weiter meistern könne.
Im Gespräch mit den DFWK Mitgliedern kam Dr. Franziska Brantner auch auf die Außenpolitik und die transatlantischen Beziehungen zu sprechen. Sie sieht Europa nicht in der Situation, zwischen strategischer Souveränität und einer engeren Kooperation mit den USA unter dem neu gewählten Präsidenten Joe Biden entscheiden zu müssen. Vielmehr sei Europa in der Pflicht, mehr internationale Verantwortung zu übernehmen, um „Biden den Rücken freizumachen“. Insbesondere in Libyen und der Sahel-Zone sei Europa als stabilisierende Macht gefragt.
Auf eine Kooperation mit den USA hofft Dr. Brantner bei der Regulierung der kommerziellen Nutzung privater Daten durch Internetplattformen. „Ich glaube, das ist auch in den USA angekommen, dass es dort einen Handlungsbedarf gibt. Ich fände es gut, wenn wir das gemeinsam hinbekommen“. Ein weiteres transatlantisches Thema ist für die Politikerin der Klimaschutz. Im Blick hat sie dabei die Einführung eines so genannten CO2-Grenzausgleichssystems (Carbon Border Adjustment Mechanism), bei dem EU-Importe aus Drittländern mit einem CO2-Preis belegt werden.
In Ihrer Verabschiedung brachte Dr. Brantner das zum Ausdruck, was alle Teilnehmer von Videokonferenzen spüren. „Wir freuen uns, wenn wir uns alle wieder in die Augen schauen können“. Mit Blick auf französische Umgangsarten, die in der Krise nicht mehr möglich sind bemerkte sie: „Faire la bise – j’espère qu’on ne l’abondonnera pas“.
Der Neujahrsempfang endete mit einem Ausblick auf die kommenden Veranstaltungen – beispielsweise zur Transatlantik, zur Digitalisierung oder den ostdeutsch-französischen Beziehungen. Zudem präsentierte der DFWK Jugend zu seinem „ersten Geburtstag“ seine Arbeit des vergangenen und des neuen Jahres. Die neu gewonnenen (Jugend-) Mitglieder können sich auf ein abwechslungsreiches Programm freuen!