Dr. Josef Braml, einer der weltweit renommiertesten USA-Experten, spricht beim Webinar des DFWK Klartext über Europas Beziehungen zu den USA.
Joe Biden hat Donald Trump in der Wahl zum amerikanischen Präsidenten geschlagen. Alles gut also für Amerika? Kann mit dem neuen Präsidenten nicht auch ein neues Kapitel der transatlantischen Beziehungen beginnen? Josef Braml, Generalsekretär der Deutschen Gruppe der Trilateralen Kommission, und Verantwortlicher für die Weiterentwicklung eines transatlantischen Forschungsschwerpunktes an der Universität Bonn, gibt sich beim Webinar mit dem Deutsch-Französischen Wirtschaftskreis (DFWK) pessimistisch: „Ich habe nach wie vor eine skeptische Sicht, nicht weil ich den Amerikanern etwas Böses will, sondern weil ich dieses Land schon seit etwa zwei Jahrzehnten sehr genau beobachte. […] Der Trumpismus ist weiter eine politische Kraft, mit der gerechnet werden muss, und wir sollten uns darauf einstellen, dass dieses Amerika nicht das machen wird, von dem wir hier in Europa träumen“.
Den USA drohten einerseits innere Verwerfungen aufgrund von sozialen und wirtschaftlichen Problemen. Gleichzeitig werde es für die USA schwieriger, ihre „internationalen Ordnungsleistungen“ zu erbringen: Sich für Freihandel, Sicherheit und eine stabile Leitwährung einzusetzen.
Stattdessen müsse Europa damit rechnen, dass auch die Regierung unter Biden versuchen werde, „Last auf uns abzuwälzen“ – insbesondere im Sicherheitsbereich. Bereits Präsident Obama habe Druck auf die Europäer ausgeübt, Gegenleistungen für die eigene Sicherheit zu erbringen. „Er ist nicht so weit gegangen wie Trump, der uns erpresst hat. Aber er hat schon deutlich gemacht, dass die Zeiten vorbei sind, mit wenig Militärausgaben weiterhin Trittbrett zu fahren“. Darüber hinaus habe er den Abbau von Exportüberschüssen gefordert. Trump habe dann „knallhart“ auf diesen Punkten bestanden.
Dr. Braml glaubt nicht, dass sich unter Präsident Biden etwas an diesen Forderungen ändern wird. Die von den Amerikanern garantierte militärische Sicherheit gebe es nicht kostenlos: „Wir sind absolut abhängig von den Amerikanern“, so Dr. Braml. „Wenn wir weiterhin des Schutzes der Amerikaner würdig sein wollen, dann haben wir Tribut zu zollen und müssen Interessen in der Wirtschafts- und Währungspolitik preisgeben“. So werde Deutschland beispielsweise amerikanisches Flüssiggas kaufen müssen, um die USA zu besänftigen, wenn die Gas-Pipeline Nord-Stream II fertig gestellt wird.
Die meisten Wirtschaftsinteressen müsse man aber gegenüber China preisgeben, das sich mit den USA in einem Konflikt um wirtschaftliche und militärische Dominanz befindet. „Da gibt es keine zwei Möglichkeiten für Deutschland. […] Da werden wir uns wohl oder übel für die USA entscheiden müssen“, erklärt Dr. Braml. Für Deutschland, dessen Automobilindustrie vom chinesischen Markt abhänge, sei das ein größeres Problem als für Frankreich.
Forderungen nach mehr europäischer Souveränität fehlen laut Dr. Braml angesichts der militärischen Schwäche des Kontinents aktuell die Basis. Aber auch der Entscheidungsmodus in der EU behindere solche Bestrebungen. „Die Diskussion über Souveränität kaschiert nur die Unfähigkeit Europas, überhaupt entscheidungsfähig zu sein. Ich spreche gar nicht erst von der Handlungsfähigkeit. Solange wir das Einstimmigkeitsprinzip haben, können wir geteilt und beherrscht werden“, erläutert Dr. Braml.
Dennoch sieht Dr. Braml auch Möglichkeiten, die Abhängigkeit von den USA zu reduzieren. Zwar müsse man amerikanische Waffensysteme kaufen, um einerseits dem 2-Prozent-Ziel näherzukommen und gleichzeitig das Außenhandelsdefizit zu reduzieren. Darüber hinaus sei aber auch eine Investition in die eigenen Fähigkeiten wichtig: „Ich glaube wir haben in vielen europäischen Ländern große Probleme, wenn wir hier keine Infrastrukturprogramme auflegen. Wenn wir nicht auch das mal tun, wovon wir reden: Digitalisierung. Also die Staatsaufgaben machen, die auch über europäische Fonds finanziert werden können und da gehört auch Militär dazu“.
In der Diskussion mit DFWK Präsident Joachim Bitterlich und den Vereinsmitgliedern spricht sich Dr. Braml neben der Erweiterung der eigenen militärischen Fähigkeiten, auch für die Schaffung neuer politischer Strukturen aus: „Wir bräuchten so etwas wie einen nationalen Sicherheitsrat, einen nationalen Sicherheitsberater“, erklärt Dr. Braml. In einem solchen Gremium könnten etwa die Ministerien Vertreter entsenden. „Die Idee wäre, dass wir nicht nur alle Himmeljahre wieder eine Strategie überlegen, sondern dass wir eine laufende Debatte über diese Themen haben“. Nach dem Prinzip „Legitimation durch Kommunikation“ müsse auch der Bundestag regelmäßiger über Themen der nationalen Sicherheit sprechen. So könne der Bevölkerung die Augen geöffnet werden, „dass unser Wohlstand davon abhängt, dass wir auch in der Asien-Pazifik Region Interessen haben“.
Deutschland müsse sich international bei der sicherheitspolitischen und geheimdienstlichen Zusammenarbeit stärker einbringen, meint Dr. Braml. Auch sollte Deutschland Vorschläge zu einer Erweiterung des transatlantischen Bündnisses zu einer „globalen NATO“ nicht von vornherein ablehnen. „Trump hätte die NATO kaputtgemacht, wenn er wiedergewählt worden wäre. Da wurde schlimmeres verhindert. Aber wir haben jetzt eine zweite Chance. Und wenn jetzt die Amerikaner wieder von der globalen NATO reden, dann sollte die Kanzlerin nicht noch einmal sagen, ‚ich sehe keine globale NATO‘“, so Dr. Braml.
Die Veranstaltung fand am 16. Februar als Webinar statt.