Die Sonderausstellung „Frans Hals. Meister des Augenblicks“ in der Berliner Gemäldegalerie erwies sich als ein besonderes kulturelles Highlight. Unter der exklusiven Führung von Prof. Bernd Wolfgang Lindemann, ehemaliger Direktor der Gemäldegalerie und Experte für Alte Meister, erhielten die Mitglieder des DFWK nicht nur Einblicke in die Werke von Frans Hals, sondern auch in die historische Entwicklung des Porträts und die Kunstgeschichte im weiteren Sinne.
Lindemann begann mit einer Einführung in die Geschichte des Porträts, die bis in die Antike zurückreicht. Er erwähnte das berühmte Bildnis der Nofretete als Beispiel für die frühe Darstellung von Individuen und verglich dies auf charmante Weise mit Marlene Dietrich. Während es im griechischen Porträt wohl weniger auf eine getreue Abbildung des Dargestellten ankam, waren Bildnisse bei den Römern in hohem Maße wirklichkeitsgetreu.
Interessant war Lindemanns Erläuterung, dass im Mittelalter die Kunst des Porträts fast ganz verschwand und erst im 15. Jahrhundert mit der Renaissance wieder als ernstzunehmende Gattung aufblühte. Künstler wie Botticelli spielten eine entscheidende Rolle in dieser Wiederbelebung. Während in Florenz die Zeichnung und das Designo dominierten, stand in Venedig die Farbe im Vordergrund.
Besonders spannend war die Einführung des Begriffs „Sprezzatura“, ursprünglich seit dem 16. Jahrhundert auf die nonchalante Eleganz, das ungezwungene Benehmen des Hofmanns gemünzt. Er wurde in das Feld der Malerei übertragen: Bilder mit offenem Strich, mit heftigem Pinselduktus waren scheinbar schnell gemalt, bedurften aber hohen Könnens und großer Disziplin: Hier muss jeder Pinselhieb sitzen, Korrekturen sind nicht möglich. Der Begriff kann auch für das Verständnis von Frans Hals’ Werken herangezogen werden.
Hals, so Lindemann, war in seiner Kunst schwer einer einzigen Gattung zuzuordnen. Seine Werke bewegen sich zwischen Porträt und Genrebild, oft mit moralischer Aussage. Besonders betonte Lindemann, wie Hals als „Meister des Augenblicks“ in der Lage war, scheinbar spontane, flüchtige Momente einzufangen, die jedoch sorgfältig komponiert waren.
Die Ausstellung bot einen faszinierenden Einblick in das Werk von Frans Hals, von seinen Kinderdarstellungen bis hin zu klassischen holländischen Gruppenporträts. Künstler wie Gustave Courbet oder Édouard Manet zogen Inspiration aus Frans Hals’ Kunst.
Lindemanns Vortrag reichte dabei weit über Hals hinaus und stellte Verbindungen zu anderen Künstlern, Stilen und Epochen her – von der Renaissance bis hin zu Courbet und Corinth, mit der Erwähnung von Fragonard als wichtiger, in der Ausstellung allerdings nicht gezeigter Zwischenstation. Insgesamt war die Führung ein beeindruckendes Erlebnis, das nicht nur die Kunst von Frans Hals beleuchtete, sondern auch tiefe Einblicke in die europäische Kunstgeschichte und ihre kulturellen Verbindungen bot.