Wird es in Zukunft für jeden Patienten ein personalisiertes Medikament geben? Welche Möglichkeiten bieten die Digitalisierung und die Sammlung von Patientendaten? Welche Folgen hat es, wenn Unternehmen wie Amazon und Facebook in den Gesundheitsmarkt drängen? Prof. Dr. Jochen Maas, Geschäftsführer Forschung & Entwicklung von Sanofi-Aventis Deutschland und Dr. Matthias Suermondt, Vice President Public Affairs and Acces bei Sanofi zeichneten bei ihrem Besuch am 25. Februar 2020 vor den Gästen des Deutsch-Französischen Wirtschaftskreises (DFWK) ein umfassendes Bild über den Stand und die Zukunft des Gesundheitswesens.
Einen Megatrend für die Zukunft der Medizin sieht Maas in der „integrierten Patientenversorgung“, der Verzahnung der Bereiche Diagnose, medikamentöse Versorgung, medizinische Geräte und Big Data. Sanofi sei eines der wenigen Unternehmen, die Lösungen auf allen genannten Gebieten (auch bezeichnet als „vier D’s“ für Englisch: „Diagnosis, Drug, Device, Data“), anbieten.
Ein weiterer Megatrend ist laut Maas die personalisierte Medizin. „Früher haben wir alle Medikamente entwickelt für den 70 Kilo schweren Mann. Aber nicht alle Patienten sind männlich – und zunehmend auch nicht mehr 70 Kilo schwer“. Heute könne man Patienten bereits verschiedenen Gruppen zuteilen. Das biete zum Beispiel den Vorteil, dass man Medikamente nur Personen verabreiche, bei denen sie tatsächlich wirkten. Ziel sei nun, die Patientenversorgung noch weiter zu individualisieren. Die dadurch entstehenden Möglichkeiten seien erheblich: „In fünf Jahren wird eine Krebserkrankung übergehen von einem Todesurteil in eine chronische Erkrankung“, sagte Maas.
Problem bei dieser Entwicklung sei jedoch, dass die Kosten im Gesundheitssystem unweigerlich stiegen: „Bisher profitieren wir bei der Produktion von Medikamenten von Skaleneffekten. Bei der personalisierten Medizin ist die Fallzahl für ein Medikament aber immer n=1“. Das treibe die Kosten, so Maas. Die Kosten für individualisierte Tumormedikamente können bei 400 000 bis 500 000 Euro pro Patient liegen“.
Potenzial um Geld einzusparen gebe es vor allem durch die Digitalisierung. Und zwar nicht nur in der Entwicklung von Therapien und Medikamenten. Maßnahmen wie eine Verbesserung des Datenaustauschs durch die elektronische Patientenakte, E-Rezepte, digitale Tools für Ärzte und Pfleger sowie die Einführung der Teleberatung, könnten laut einer McKinsey Studie allein in Deutschland zu jährlichen Einsparungen von bis zu 35 Milliarden Euro führen. Hindernis sei allerdings die große Zurückhaltung der Deutschen gegenüber diesen Technologien. Auch die Regulierung gehe zu langsam. Eine weitere Hürde sei der sehr strenge Datenschutz, führten Suermondt und Maas aus.
Gerade beim Thema Daten spürten die Pharmakonzerne eine immer größere Konkurrenz durch die GAFA’s (Google, Apple, Facebook, Amazon), Unternehmen, die man ursprünglich nicht mit dem Bereich Gesundheit in Verbindung bringen würde. Da aber Gesundheitsdaten, etwa von tragbaren Geräten wie der Apple-Watch, bei diesen Anbietern gesammelt würden, hätten sie heute schon eine erhebliche Marktmacht. „Gefahr ist, dass Pharmaunternehmen in Zukunft nur noch Zulieferer für eine Plattform wie Amazon sind. Sie können sich vorstellen, was das für unsere Margen bedeuten würde“, warnte Maas. Daher bleibe den Pharmaunternehmen nichts anderes übrig, als mit diesen Unternehmen zu kooperieren.
Anschließend stellten sich die Referenten den angeregten Fragen der etwa 40 Gäste. Diskutiert wurde unter anderem, wie in einer alternden Gesellschaft steigende Gesundheitskosten finanziert werden könnten. Maas warnte in diesem Zusammenhang, dass Krankenversicherungen niemals geringere Beiträge für Personen mit „guten Genen“ anbieten dürften. Ein weiteres Thema war der Datenschutz. „Das ist ein Problem“, räumte Maas ohne Umschweife ein.
Das Pharmaunternehmen Sanofi beschäftigt weltweit 100 000 Mitarbeiter, davon fast 9 000 in Deutschland. Der Jahresumsatz beträgt 34 Milliarden Euro.