Ronan Le Gleut ist Vizepräsident des DFWK und repräsentiert als Senator seit 2017 die im Ausland lebenden Franzosen. Beim Dinner, das er in einem der prächtigen Speisesäle des Palais des Senats für uns ausrichtete, fasste er die Komplexität der deutsch-französischen Beziehungen treffend zusammen: „Wie sollen wir uns denn verstehen, wenn die französische ‚dissuasion‘ im Deutschen mit ‚Abschreckung‘ übersetzt wird?“. Für uns Gäste wurde deutlich, dass zwischen unseren beiden Ländern ein enormer Bedarf an Entschlüsselung besteht, die entscheidend ist, wenn wir es schaffen wollen, die deutsch-französischen Beziehungen zu vertiefen und Europa gemeinsam zu stärken.
Genau das war das Ziel unserer Studienreise nach Paris, die am 5. und 6. November – wenige Tage vor dem 30. Jahrestag des Mauerfalls – stattfand. Mehr als 30 der DFWK-Mitglieder hatten sich dazu angemeldet. Die erste Station der Studienreise, organisiert von unserem Vorstandsmitglied Laurent Couraudon (Business Center Manager Berlin), war BNP Paribas. Lutz Diederichs (der CEO für Deutschland der Gruppe) zog einen Vergleich des französischen und des deutschen Bankensektors und hob hervor, dass Deutschland heute keinen „europäischen Champion“ in diesem Bereich vorweisen kann. BNP Paribas hingegen sei weder eine französische noch eine deutsche, sondern eine echte europäische Bank.
Das deutsch-französische Abenteuer ging im Senat weiter, wo unsere Gruppe von fünf Vorstandsmitgliedern unserer Pariser Schwester-Organisation CEFA, verstärkt wurde. Wir erhielten eine Führung durch das historisch und symbolisch bedeutsame Gebäude, das im Jahr 1631 vom Architekten Salomon de Brosse im Auftrag von Marie de Médicis fertiggestellt wurde. Wir besichtigten die prächtig verkleidete „Chambre des Pairs“, den luxuriösen Konferenzsaal mit dem Thron Napoleons I. und einem Originalexemplar der Verfassung der Fünften Republik sowie den Plenarsaal. Wir hatten sogar das Glück, das Ende einer Sitzung des Senats mitzuerleben.
Zum Hintergrund: Der Senat ist der Garant der Stabilität der französischen Institutionen; er kann nicht aufgelöst werden und sein Präsident vertritt den Präsidenten der Französischen Republik, wenn dieser verhindert ist oder wenn die Position gerade nicht besetzt ist.
Während wir das Essen genossen, fasste Ronan Le Gleut seine letzten beiden Berichte, in denen er Handlungsempfehlungen für aktuelle politische Themen gibt, für uns zusammen. Es ging zum einen um die europäische Verteidigung und zum anderen um die Blockchain-Technologie. Ziel der Berichte war es, die Herausforderungen dieser beiden als zukunftsweisend betrachteten Themen zu präsentieren und nachhaltige Lösungen zu finden. Trotz der allgemeinen Begeisterung für die neue Blockchain-Technologie äußerte der Senator Bedenken hinsichtlich ihres Nutzens, auch wegen ihrer schlechten Energiebilanz. In seinem Bericht plädiert er zudem für die Entwicklung europäischer Blockchains, entworfen auf europäischem Boden. Hinsichtlich der europäischen Verteidigung ist eine Hauptschlussfolgerung aus Senator Le Gleuts Bericht, dass es in naher Zukunft keine europäische Armee geben wird, sondern eine europäische Verteidigung bestehend aus verschiedenen nationalen Armeen. Um auf den potentiellen Rückzug der Vereinigten Staaten aus der europäischen Verteidigung vorbereitet zu sein, formuliert der Bericht zwölf Vorschläge, um der Herausforderung der strategischen Autonomie zu begegnen.
Der zweite Tag der Studienreise endete bei der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer (AHK). Oliver Nass, Vorstandsmitglied des CEFA, eröffnete das Programm. Zunächst sprach Heiko Carrié, der CEO von Bosch in Frankreich und den Benelux Staaten. Nachdem er uns die Aktivitäten von Bosch präsentiert hatte, entschlüsselte er die Effekte der wirtschaftlichen Reformen von Präsident Emmanuel Macron. Seiner Ansicht nach besteht heute einer der Haupt-Wettbewerbsvorteile Frankreichs darin, dass Frankreich den Willen zeigt, Innovation und insbesondere die Industrie 4.0 zu unterstützen, um sich den aktuellen Herausforderungen stellen zu können. Darüber hinaus habe Frankreich eine weitere große Stärke: Die Exzellenz seiner Ingenieure.
Patrick Brandmaier, der neue Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer, der lange Zeit bei Siemens (in München, Paris und Norwegen) gearbeitet hat, sprach anschließend über die Struktur und die Ziele der AHK. Diese sind die Vertretung der Interessen der deutschen Industrie in Frankreich, das Management des Mitglieder-Netzwerkes (etwa 800), aber auch die Bereitstellung kostenpflichtiger Services, wie der Unterstützung der Entwicklung von mittelständischen Unternehmen und Start-ups in Frankreich oder Deutschland. Anschließend widmete er sich den Reformen von Präsident Macron, wobei er sich zurückhaltender zeigte als sein Vorredner, was deren Machbarkeit und Kosten betrifft.
Die positiven Rückmeldungen aller Teilnehmer und Beteiligten ermutigen uns dazu, weitere Studienreisen dieser Art in unser Programm aufzunehmen. Wir freuen uns sehr, wenn Sie diesbezüglich Vorschläge und Anregungen für uns haben!
Ein herzliches Dankeschön an alle Redner und Organisatoren der Studienreise und natürlich an unsere treuen Mitglieder, die die Reise auf sich genommen haben, um den deutsch-französischen Austausch mit Leben zu füllen!