Frauen in der Wirtschaft: am 07. Juni haben wir einen Blick auf beide Seiten des Rheins geworfen. In den Räumlichkeiten von Mazars veranstalteten wir eine Podiumsdiskussion, um die Situation von in der Wirtschaft tätigen Frauen in Deutschland mit denen in Frankreich vergleichend zu betrachten. Frau Bénédicte de Peretti begann den Abend mit einer Präsentation an zahlenbasierten Fakten über die Situation von Frauen in beiden Ländern.
In Frankreich verlangt das Copé-Zimmermann Gesetz von 2011, dass mindestens 40% der Angestellten eines Unternehmens mit mehr als 500 Beschäftigten Frauen sein müssen. Dies betrifft rund 2000 Unternehmen.
In Deutschland, bestimmt das Führungspositionengesetz (FüPoG) von 2015, eine Frauenquote von mindestens 30% in Unternehmen mit mehr als 2000 Angestellten, was in Deutschland aktuell auf lediglich 183 Unternehmen zutrifft. Das FüPoG II aus dem Jahr 2021 ergänzt dieses um die feste Quote für Aufsichtsräte durch ein Mindestbeteiligungsgebot an Frauen in den Vorständen. „Börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen müssen künftig mindestens eine Frau in den Vorstand berufen, wenn ihr Vorstand aus mehr als drei Personen besteht.“ (BMFSFJ)
Beide Länder haben also Gesetze, die eine Mindestquote von Frauen in den Aufsichtsräten vorschreiben. In Frankreich sind jedoch mittlerweile 46% der Plätze in den Beiräten von Frauen besetzt, in Deutschland hingegen nur 33%.
Das lässt zum einen darauf hindeuten, dass Frankreich bessere strukturelle Möglichkeiten für Frauen bietet, einen Aufstieg in Führungspositionen zu erreichen, als Deutschland. Dies sei eventuell zurückzuführen auf einen verbindlicheren und ehrgeizigeren Rechtsrahmen oder auf die bessere Infrastruktur für die frühkindliche Betreuung und die bessere Vertretung von Frauen in den Leitungsgremien von Unternehmen.
Aber auch kulturelle Aspekte fallen ins Gewicht. In Frankreich und Deutschland haben Frauen ein anderes Selbstverständnis und Rollenbild. In Frankreich argumentieren die Frauen die Gleichberechtigung etwa als „droit républicain = 50%“ und in Deutschland mit „mehr Diversität“. Das verkörpert ein anderes Selbstbewusstsein, wodurch bestimmte Forderungen in Deutschland gar nicht erst gestellt werden, die in Frankreich selbstverständlich sind.
In Deutschland wird im Gegenzug das Modell der geteilten Führungspositionen stärker vertreten. Dies ermöglicht eine andere Message „leading by team“ und „ich kann das auch schaffen“. Zudem sind hier viele Anreize für Männer vorhanden, um sich in die Kinderbetreuung und -erziehung einzubringen, aka Elterngeld/-zeit etc., die gut angenommen werden.
Darüber hinaus bedeutet eine Erhöhung der Frauenquote in den Aufsichtsräten nicht automatisch eine Erhöhung der weiblichen Vertreterinnen in den Vorständen. Grundsätzlich ist ein genauerer Blick notwendig. Denn welche Positionen und Funktionen nehmen die Frauen in den Aufsichtsräten wahr? Wie sehr sind sie tatsächlich in operative und strategische Aufgaben involviert? Wie viel Entscheidungsgewalt haben sie? Wie viel zusätzlicher Belastung sind sie ausgesetzt (etwa durch Familie und gesellschaftliche Erwartungen)?
Aber auch andere Fragen haben die Diskussion angeheizt: Wie unterstützen sich Frauen gegenseitig? fragt Christin Drüke. Unterstützen sie sich gegenseitig? Haben Frauen eine größere moralische Verantwortung, ihre Privilegien zu teilen und als “women allies” auch anderen Frauen zu höheren Positionen zu verhelfen als Männer (wie dies Christine Lagarde wie auch Madeleine Allbright fordern) oder stellt dies eine ungerechte doppelte Inpflichtnahme dar?
Schließlich sollten auch Männer dazu angehalten werden, für die Gleichberechtigung der Frauen zu kämpfen, zumal nach wie vor mehrheitlich Männer über die entsprechenden Entscheidungspositionen verfügen. Doch auch Frauen in Machtpositionen müssen die strukturelle Ungleichbehandlung von Frauen zum Thema machen und für bessere Aufstiegschancen für Frauen kämpfen. Sie selbst sind unter Mühen oben angekommen, müssen es die anderen genauso schwer haben? Etwa die Weitergabe informellen Wissens um sich besser durchzusetzen, gegenseitiges Coaching und Anerkennung der fachlich besseren Abschlüsse von Frauen, aber auch die Ermutigung „finde deinen eigenen Stil”, Rückendeckung und Netzwerke können helfen.
Frauen aktiv zu fördern, ist auf jeden Fall wichtig, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, die nach wie vor nicht geschlechterparitätisch vertreten sind, weder im Aufsichtsrat noch im Vorstand. Aber die Unternehmen haben auch die Aufgabe, eine Basis für einen Veränderungsprozess zu schaffen. Wie könnte eine unterstützende Unternehmenskultur aussehen?
Sind Führungsstrukturen von vornherein mit von männlich konnotierten Eigenschaften und Kräftemessen besetzt? Lässt sich das Vollzeitarbeitsmodell noch auf diese Art halten?
Wir erreichen die Zahlen über der Quote, aber tun nicht mehr, sagt Monika Schulz-Strelow. Was oft fehlt, sei die Vorstellungskraft für eine neue Unternehmenskultur mit weniger hierarchischen Strukturen und mehr Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit. Die junge Generation hat heutzutage ein anderes Verständnis von Work-Life-Balance und es bleibt daher spannend, wie sich alles weiterentwickeln wird.
Auch Männer übernehmen zunehmend elterliche Pflichten und Investoren legen vermehrt Wert auf Geschlechtergerechtigkeit, so Sophie l’Hélias. Sie fragen aktiv nach Frauenquoten und können großen Einfluss auf die Besetzung von Führungspositionen mit Frauen haben.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir uns an einem Scheideweg befinden. Voraussichtlich wird das Thema mehr Work-Life-Balance an mehr Bedeutung gewinnen, aber wichtig ist auch, dass kein Rückzug ins Private geschehe, so Pamela Stenzel, da sonst andere den Raum einnehmen und Dinge so gestalten, wie sie wollen. Erreichte Verantwortung weitergetragen werden. Expand the network, break the old man club!